Residency


Residency
„Storytelling gegen Desinformation“ 10.–16.03.2025 im Kulturhof Klasdorf
Die X3 Spaces Residency zum Thema Storytelling gegen Desinformation im Kontext von PostOst findet vom 10. bis zum 16. März 2025 im Kulturhof Klasdorf, Brandenburg statt. Die Residency soll Synergien durch Projektentwicklung fördern. Gleichzeitig wird ausreichend Raum für persönliche Entfaltung sowie kreativen Austausch und Vernetzung unter den Teilnehmenden geboten.
Die Teilnehmenden arbeiten künstlerisch, interdisziplinär und kritisch in den Bereichen Kulturmittlung, politische Bildung, Journalismus, Film, Audio, Content Creation, interaktive Formate, Drehbuch/Skript. Die Ergebnisse der Residency werden auf dem X3 SPACES Creative Fest am 16.05.2025 im Global Village in Berlin Neukölln diskutiert.
Träger des Projektes ist DEPART e.V. Demokratie in Partnerschaft. Förderer ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
TEILNEHMENDE DER RESIDENCY

Alina Yklymova
Wie setzt Du Storytelling ein, um dem Thema Desinformation entgegenzuwirken?
Ich erzähle von Menschen, nicht von Meinungen. Wenn wir spüren, was andere fühlen, verlieren Lügen ihre Macht.
Welches Medium hast Du für Dein Projekt gewählt?
Ich arbeite mit Film, weil Bilder und Sprache gemeinsam ein Gefühl für die Vielschichtigkeit von Identität und Herkunft transportieren.
Gegen welche Klischees gehst Du in Deinem Projekt an?
Ich liebe Klischees, weil sie oft ein Spiegel einer breiten Meinung sind – ein gefundenes Fressen für mich als Autorin und Regisseurin. In Matröshki arbeite ich mit Rollenbildern, die sich wie eine zweite Haut über Generationen ziehen: die „angepasste Migrantin“, die sich unsichtbar macht, um zu überleben, und die „russische Frau“, die gleichzeitig stark, schweigend, sexy, leidend und effizient sein soll – mal Verführerin, mal Arbeitsmaschine, mal Eiskönigin. Ich lasse diese Hüllen langsam aufplatzen – und mache sichtbar, was darunter liegt: Widerspruch, Wut, Zärtlichkeit.
Warum ist es wichtig, Raum fĂĽr den Austausch unter PostOst Creatives zu schaffen?
Weil wir Splitter derselben Geschichte sind – und uns erst im Miteinander spiegeln. Weil wir einander stärken können. Oft fühlt es sich an, als wäre man verrückt oder paranoid, weil die Kämpfe, die man führt, so absurd erscheinen. Gemeinsam können wir erkennen: Wir sind nicht verrückt. Wir sind der Beweis, dass unsere Wahrnehmung nicht nur real, sondern notwendig ist.
Was war Deine interessanteste Entdeckung während des Aufenthalts in der Residency?
Wie ähnlich unsere Erfahrungen trotz aller Unterschiede oft sind – und wie empowernd es ist, sie zu teilen.
Was hast Du Neues während der Residency über PostOst realisiert?
Dass „PostOst“ kein Label ist, sondern ein lebendiger, oft widersprüchlicher Zustand – und genau darin liegt die Kraft. Wir teilen eine gemeinsame Geschichte, voll untererzählter Perspektiven, die die Dominanzgesellschaft oft vereinfacht. Aber unsere Geschichten sind vielschichtig, unbequem und kompliziert – und genau darin liegt ihre Wahrheit.

Ana Romas aka russischraclette
Wie setzt ihr Storytelling ein, um dem Thema Desinformation entgegenzuwirken?
Ich versuche themagebunden, bereits weit verbreitete Desinfos, umzukehren, indem ich praktische Bilder mit Geschichten koppel. Durch niedrige Schwellen und einfachem Zugang zu den Themen via Emotionalisierung oder Erinnerung, lassen sich Informationen einfacher und schneller Verbreiten.
Welches Medium hast Du / habt Ihr für Dein / Euer Projekt gewählt?
Video und Audio
Gegen welche Klischees gehst Du / geht Ihr in Deinem / Euren Projekten an?
Gegen die russische Kulturvormacht im Westen – nicht alles ist russisch, was russisch spricht oder scheint
Warum ist es wichtig, Raum fĂĽr den Austausch unter PostOst Creatives zu schaffen?
Es ist wichtig, weil es noch wenige Räume für Post-Ost-Communitybuilding existieren. Und wenn wir schon alle gefühlt in einen Topf geschmissen werden, können wir auch gebündelt eher gegen Klischees oder falsche Bilder vorgehen, statt mit einzelnen Stimmen.
Was war Deine interessanteste Entdeckung während des Aufenthalts in der Residency?
Dass wir noch viel Cycle-Breaking vor uns haben 🙂
Was hast Du Neues während der Residency über PostOst realisiert?
Ich habe realisiert, dass es kein PostOst an sich gibt auch wenn viele von uns viele Erfahrungen teilen.

Antje Meichsner
Gegen welche Klischees gehst Du in Deinem Projekten an?
Ich reflektiere allgemein kritisch, wie Geschichten angelegt und strukturiert sind – weil diese Normen setzen, wie wir angeblich fühlen und das ausdrücken sollen. Im aktuellen Projet geht es darum, wie Nationalismus die Diversität von Sprachen unterdrückt. Meine Art des Geschichtenschreibens habe ich stark vom Audio-Editing, vom Schnitt und vom Hören her entwickelt. Und auch kompositorische Strukturideen spielen eine wichtige Rolle.
Was war Deine interessanteste Entdeckung während des Aufenthalts in der Residency?
Am intensivsten ist mir der Satz hängengeblieben, auf den sich mehrere Leute geeinigt haben: „In meiner Familie gibt es multiple Deporationserfahrungen – in mehreren Generationen.“ Und daraus folgend: „Ich überlege, wohin ich gehen könnte, wenn das so weiter geht mit der Situation in Deutschland.“ Und der Gedanke, dass trotz des Bruchs, den die Wende für die DDR-Menschen bedeutet hat, sie immer noch einige wesentliche Privilegien vor Migrant:innen haben: Sie konnten an ihrem Ort bleiben, in ihrer Landschaft, in ihrer gewohnten sozialen Umgebung, sie mussten keine neue Sprache lernen und haben einfach so einen deutschen Pass und Westdeutsches Geld bekommen. Ich glaube, meine Familie hätte so eine Migration in ein anderes Land nicht geschafft.

Jemek Jemowit
Wie setzt Du Storytelling ein, um dem Thema Desinformation entgegenzuwirken?
Durch die Erinnerungen und Erzählungen meiner Großmutter Maria Genowefa Nowak (*17.11.1927 in Bydgoszcz, Polen; ✝18.08.2024 in Wejherowo, Polen) als ehemalige Zwangsarbeiterin schaffe ich eine emotionale und authentische Gegenperspektive zu den verbreiteten Desinformationen und historischen Verzerrungen über die Erfahrungen der polnischen Menschen während des Zweiten Weltkriegs.
Welches Medium hast Du für Dein Projekt gewählt?
Meine Arbeit ist ein Hörspiel, das auf Interviews mit meiner Großmutter basiert. Diese Audioerzählung wird visuell durch Videoelemente ergänzt und schließlich auf ihrem alten Mobiltelefon, dem Samsung C3520, abgespielt.
Gegen welche Klischees gehst Du in Deinem Projekt an?
Mein Projekt wendet sich gegen das Klischee, dass Polen und Polinnen während des Zweiten Weltkrieges entweder aktiv an den deutschen Verbrechen beteiligt waren oder nur minimalen Schaden erlitten haben. Ebenso wende ich mich gegen die Behauptung, polnische Reparationsforderungen an Deutschland und der Begriff des Antipolonismus seien lediglich ein narratives Instrument der polnischen Rechten.
Warum ist es wichtig, Raum fĂĽr den Austausch unter PostOst Creatives zu schaffen?
Es ist wichtig, Raum fĂĽr den Austausch unter PostOst Creatives zu schaffen, da es bisher solche Plattformen nicht gibt, gleichzeitig jedoch sowohl innerhalb der Communities ein groĂźes BedĂĽrfnis nach Vernetzung, Dialog und gegenseitiger UnterstĂĽtzung existiert als auch von Seiten der deutschen Gesellschaft ein groĂźer Bedarf besteht, Perspektiven und Erfahrungen der PostOst Communities besser zu verstehen und zu integrieren.
Was war Deine interessanteste Entdeckung während des Aufenthalts in der Residency?
In meiner Arbeit stoße ich oft auf Unverständnis, wenn ich von antiosteuropäischem Rassismus in Deutschland spreche, als sei dieser völlig absurd und fiktiv. Bei der Begegnung mit der Dorfgemeinschaft hatte ich das gleiche Gefühl in Bezug auf das Verständnis des Begriffs PostOst. Beide Themen scheinen so weit außerhalb der deutschen Agenda zu liegen, dass sie kaum kommunizierbar sind, weil es strukturelle Barrieren, ja Barrikaden zu geben scheint.
Was hast Du Neues während der Residency über PostOst realisiert?
Während der Residency habe ich erkannt, dass die vermeintlich kleine PostOst Community aus vielen Gruppen besteht, die sich jeweils mit länder- und ethnospezifischen Themen und Interessen beschäftigen. Wenn diese Communities zusammenkommen und sich vernetzen, entsteht eine große und vielfältige Gemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und Potentialen.

Ksti Hu
Wie setzt Du Storytelling ein, um dem Thema Desinformation entgegenzuwirken?
Ich hinterfrage Narrative nicht nur inhaltlich, sondern in ihrer grundlegenden Kommunikationsform. Mein Zugang zielt auf das Auflösen linearer Ordnungen, die behaupten, objektive Wahrheit durch hierarchische Textstrukturen abbilden zu können. Ich dekonstruire diese vollständig, um ein kontrolliertes Chaos zu erzeugen – in dem Brüche zirkulieren, Mehrdeutigkeit dominiert, und Beobachtung wichtiger wird als Erklärung.
Welches Medium hast Du / habt Ihr für Dein / Euer Projekt gewählt?
Meine Arbeit folgt keiner medialen Bindung, sondern dem Denken selbst. Ich verstehe Materialität als Sprache, die sich keiner Ordnung dauerhaft unterwirft. Medien erscheinen darin nicht als Mittel, sondern als verhandelbare Zustände von Macht, Wissen und Zugehörigkeit.
Gegen welche Klischees gehst Du in Deinem Projekt an?
Ich arbeite nicht gegen Klischees – ich verweigere ihnen jede Relevanz. Ihre Logik ist weder mein Ausgangspunkt noch mein Gegenüber. Ich bewege mich in einem offenen Raum jenseits von Zuschreibungen – offen für Formen, die nicht aus Negation entstehen, sondern aus der Abwesenheit eines Ausgangspunkts.
Warum ist es wichtig, Raum fĂĽr den Austausch unter PostOst Creatives zu schaffen?
Weil viele Erfahrungen aus diesem Kontext bis heute nicht gemeinsam erzählt oder hinterfragt werden konnten. Es fehlen Räume, in denen unterschiedliche Prägungen, Verletzungen und Perspektiven nebeneinander existieren dürfen – ohne dass sie sofort eingeordnet oder vereinfacht werden. Ein solcher Austausch eröffnet die Möglichkeit, neue Sprachen und Bezüge füreinander zu finden – nicht als Rückblick, sondern als Entwurf von Zukunft, als Ort für Träume und Visionen.
Was war Deine interessanteste Entdeckung während des Aufenthalts in der Residency?
Dass Zugehörigkeit nicht über Gemeinsamkeit entsteht, sondern über das Gefühl, sich nicht erklären oder übersetzen zu müssen.
Was hast Du Neues während der Residency über PostOst realisiert?
Dass das Trauma weniger in der Geschichte selbst liegt, sondern in der Art, wie mit ihr umgegangen wird – besonders dort, wo Erinnerung idealisiert und Gegenwart ausgeklammert bleibt.
Tetyana Gryniva & Sonia Smolenski
Getreu Toni Morrisons Zitat „If there’s a book that you want to read, but it hasn’t been written yet, then you must write it,” schreiben wir aktuell an CUNTIS – einer fiktionalen Serie ĂĽber postmigrantisch-jĂĽdisches Leben aus queerfeministischer Perspektive.
Grund dafür war, dass unsere Lebensrealitäten als sogenannte jüdische Kontingentgeflüchtete (Kontis) in der deutschen Medienlandschaft bis heute kaum hör- und sichtbar sind. Das wollen wir ändern.
Die Teilnahme an der X3-Residency hat dabei unser Projekt unglaublich bereichert: Der solidarische Austausch, die inspirierenden Menschen und Projekte sowie die Möglichkeit, das Konstrukt PostOst als kollektiven Raum zu denken, waren einzigartig für uns. Nach einer Woche X3-Residency steht fest: Unsere Köpfe sind gefüllt mit frischen Ideen und unsere Herzen mit den sweetesten Begegnungen. Many thanks an alle, die das möglich gemacht haben und insbesondere an das x3-Team.